Von Benjamin Korth, André Terharen und Moritz Wernecke | Fraunhofer IML – Virtual Reality (VR)-gestützte Simulationen können Menschen unterstützen, sich an ihrem Arbeitsplatz bzw. mit neuen Aufgaben besser zurechtzufinden. Die Simulation bedient sich dabei einer besonderen Form der digitalen Wissens¬vermittlung: der spielerischen Lernmethode eines »Serious Games«. Die Intralogistik dient dem Innovationslabor beispielhaft als Aktionsfeld. Einer Umfrage des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom e. V. zufolge spielen rund 42 Prozent der deutschen Bevölkerung auf ihren stationären oder mobilen Endgeräten Computerspiele. In fantastischen fernen Welten steigern sie sich – getrieben von einem spielerischen Ehrgeiz – regelmäßig zu Höchstleistungen, verewigen sich auf Bestenlisten. Diese motivationsfördernden Eigenschaften von Computerspielen können heute in Unternehmen insbesondere für Schulungszwecke genutzt werden. Der Trend zum Einsatz spieltypischer Elemente in eigentlich spielfremden Umgebungen nennt sich Gamification. Der Spielecharakter sorgt dafür, dass Mitarbeiter Inhalte in kurzer Zeit erlernen, ohne diesen Prozess als anstrengend zu empfinden. Highscores, Abzeichen oder das Spielen auf Zeit – eben die typischen Merkmale von Games – motivieren die Spieler zusätzlich.

Mit Gamification kann man individuell und spielerisch auf Mitarbeiter eingehen. In der virtuellen Welt können sie sich intuitiv in ihre Arbeitsaufgaben hineinversetzen.

Eine wichtige Rolle für klassische Computerspiele, aber auch für »Serious Games« spielt die Virtual Reality-Technik (VR). Für Schulungszwecke in Unternehmen müssen virtuelle Welten – anders als im Unterhaltungssektor – als exakte dreidimensionale Abbilder der Realität modelliert werden. Denn: Je genauer die Bilder die Wirklichkeit zeigen, umso größer sind Wiederkennung, Orientierung und Lerneffekt. Durch die virtuelle, aber absolut realistische Umgebung kann sich der Nutzer mithilfe von Datenbrillen bewegen.

Virtual Training Lab als Testfeld

Der Einsatz der Zukunftstechnologie wird im hochmodernen Virtual Training Lab im Anwendungszentrum des Innovationslabors, das als Schulungs-, Weiterbildungs- und Planungsraum für Logistiker dient, beispielhaft für die Intralogistik getestet. Logistikzentren müssen heutzutage flexibel auf Änderungen des Marktes, der Produkte und der neuen Dienstleistungen reagieren. Gleichzeitig muss die Arbeitsumgebung an die Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst und betriebswirtschaftlich sinnvoll genutzt werden. In der Arbeitswelt der Zukunft werden Mitarbeitern zwar viele Informationen direkt auf dem Hallenboden bereitgestellt. Doch vor dem Hintergrund immer häufigerer struktureller Änderungen wird es zunehmend wichtiger, ihnen das benötigte Wissen schnell und ohne Störung für den laufenden Betrieb zu vermitteln.

Mit Gamification kann man Mitarbeiter individuell und spielerisch schulen. Das Video zeigt, wie ein Serious Game den Mitarbeiter beim Ausführen bzw. Erlernen bestimmter Tätigkeiten unterstützt. | Quelle: Fraunhofer IML

Mitarbeiter besser auf neue Aufgaben vorbereiten

Mit Gamification kann man individuell und spielerisch auf Mitarbeiter eingehen, indem auch seltene Arbeitssituationen simuliert, Schulungsergebnisse verglichen oder die Sensomotorik von Mitarbeitern gefördert werden. So lernt eine Lagerfachkraft ihren Arbeitsplatz besser kennen und entwickelt ein Verständnis für wesentliche Abläufe (z. B. in Einlagerung, Kommissionierung, Verpackung etc.). Und ein Logistikleiter kann für den Einsatz der erweiterten Realität (Augmented Reality) im Lager geschult werden, die ihm dabei hilft, Schwachstellen und Problemzonen beim Lagerrundgang zu identifizieren und operative Anpassungen einzuleiten.

Planungen den Bedürfnissen von Mitarbeitern anpassen

In der Praxis ist ein virtuelles Training sogar bereits während der Planungsphase eines Logistikzentrums sinnvoll, so dass bei der späteren Inbetriebnahme keine Zeitverluste durch die Schulung von Mitarbeitern entstehen. Mehr noch: Der Logistikplaner kann sich durch ein von ihm entworfenes Lager bewegen, bevor es errichtet wird, und seine Planung Schritt für Schritt durch eigenes »Erleben« verfeinern. Die zusätzliche Rückmeldung von Mitarbeitern kann ebenfalls dazu dienen, eine aktuelle Planung zu evaluieren, Planungsfehler zu korrigieren und Prozessabläufe an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen.

Prozesse real und virtuell durchlaufen

Im Innovationslabor Hybride Dienstleistungen in der Logistik wird die Wirksamkeit von VR-Simulationen für die Intralogistik laufend erforscht. Dabei werden reale Prozesse aus dem Anwendungszentrum in der virtuellen Realität nachgebildet. Das heißt: Anwender können die Prozesse sowohl real als auch virtuell durchlaufen. So lässt sich auch gleich die Effektivität des VR-Trainings bewerten. Ein besonderer Fokus liegt darauf, die Benutzerfreundlichkeit und das Nutzererleben der virtuellen Spieleumgebung zu evaluieren. Dazu dienen Usability- und User Experience-Fragebögen sowie Beschwerdefragebögen speziell zu physischen Belastungen. Außerdem werden Messungen zur Erfassung des kognitiven Workloads (s. hierzu auch den Beitrag zu Kognitiver Ergonomie verlinken) vorgenommen. Gleichzeitig werden Daten zur persönlichen Biografie des Nutzers, seiner Einstellung und seiner Bewertung von neuen Technologien erhoben. Basierend auf ersten Pretests wird eine grundsätzlich positiv anregende, motivierende und lernförderliche Wirkung der Virtual Reality-Lernumgebung erwartet. Allerdings wird wohl auch ein signifikanter Zusammenhang zwischen Technikbiografie, -akzeptanz, -kompetenzüberzeugung, -kontrollüberzeugung und dem subjektiven Nutzererleben, intrinsischer Motivation und Leistung bestehen. Dortmund, November 2017


Über die Autoren

Benjamin Korth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Informationslogistik und Assistenzsysteme am Fraunhofer IML, André Terharen und Moritz Wernecke arbeiten in der Abteilung Intralogistik und -IT Planung.