Von Silke Bruns | Freie Redakteurin – »Innovationssprung im Tandem« lautet das Motto der Transferprojekte des Innovationslabors, in denen Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam die Grundlagen für den Einsatz neuer Technologien schaffen – zwei Beispiele.
Wenn der Handschuh mit der Brille spricht
Wenn das Warenwirtschaftssystem eines Supermarkts Negativbestände meldet, muss ein Mitarbeiter die Ware im Regal umgehend nachzählen: Die tägliche Bestandskontrolle ist im Lebensmittel-Einzelhandel quasi eine Pflichtübung. Dabei kommt in der Regel ein MDE-Gerät mit entsprechender Software zum Einsatz. Die Arbeitshilfen zur mobilen Datenerfassung sind kleine Alleskönner, können unproblematisch an das jeweilige Warenwirtschaftssystem angebunden werden und sind deshalb im Handel beliebt. Ihr Nachteil: die mangelnde Benutzerfreundlichkeit. Das kleine Display erschwert das Lesen und die vielen winzigen, ebenfalls auf kleinstem Raum angeordneten Tasten begünstigen Eingabefehler. Zudem lässt sich das Gerät nur mit beiden Händen bedienen.
Im Rahmen eines Transferprojekts des Innovationslabors haben Projektleiter Patrik Elfert und sein Team für das Hamburger Unternehmen Lunar, der IT-Dienstleister der EDEKA-Gruppe, nun ein neues smartes System zur Bestandskontrolle entwickelt: die Kombination von Datenbrille und Scannerhandschuh. »Unsere Lösung hat das Potenzial, die MDE-Geräte im Handel eines Tages abzulösen – weil die Mitarbeitenden die Arbeit damit sowohl schneller als auch ergonomischer erledigen können«, freut sich Patrik Elfert über den gelungenen »Proof of Concept«.
Sprichst du noch oder touchSt du schon?
Um ihre Vision einer smarten Bestandskontrolle im Laden umzusetzen, wählten die Forschenden zusammen mit dem Unternehmen geeignete, am Markt verfügbare Hardware aus. Dies sind die Datenbrille von Google, die in letzter Zeit ein großes Comeback erlebt, sowie ein Hightech-Handschuh mit abnehmbarem Scanner. Die Datenbrille führt den Mitarbeitenden mit eingeblendeten Informationen durch den Prüfprozess. Damit kann auch eine ungelernte Kraft die Bestandskontrolle ohne spezielle Einweisung übernehmen. Der Handschuh ermöglicht es ihr, den Scanner mit einem Fingertipp zu aktivieren. Während des Vorgangs hat sie mindestens eine Hand frei, um die Waren im Regal weiter zu sortieren.
Grundsätzlich kann der Mensch entscheiden, ob er lieber mit Sprachkommandos (z. B. »Starte Scanvorgang!«) oder über ein Touchpad an der Brille arbeiten will. Ein vom Forscherteam entwickeltes Schnittstellenprogramm versetzt die Brille und den Handschuh in die Lage miteinander und – noch wichtiger – mit dem Warenwirtschaftsprogramm des Einzelhändlers zu kommunizieren.
Neben der Fehlbestandskontrolle eignet sich die Lösung natürlich auch für Einzel- bzw. Stichprobenkontrollen. Beide Modi sind im Programm hinterlegt und können vom Mitarbeiter ausgewählt werden. »Das Ergebnis des Transferprojekts spiegelt die Idee unseres Formats wider«, so Andreas Nettsträter, im Innovationslabor zuständig für Netzwerkmanagement und Wissenstransfer. »Das Unternehmen konnte in einem begrenzten Zeitraum einfach mal ausprobieren, ob sich Augmented Reality – eine der vielbeschworenen neuen und innovativen Technologien unserer Zeit – überhaupt für den praktischen Einsatz eignet.« Tatsächlich will Lunar die Lösung jetzt auch im Markt testen, um so erste Praxiserfahrungen zu sammeln. Insbesondere wird es dann auch darum gehen, ob und wie der Mensch die neue Lösung akzeptiert. Über weitere Ausbaustufen haben Patrik Elfert und sein Team auch schon nachgedacht: So kann die Lösung auch bei der jährlichen Inventur zum Einsatz kommen – und das nicht nur im Supermarkt bzw. im Lebensmittel-Einzelhandel.
Vertrauen ist gut, Transparenz ist besser
Mit der Zustellung von Ersatzteilen über Nacht bietet das Unternehmen Night Star Express mit Hauptsitz in Unna seinen Kunden einen echten Wettbewerbsvorteil: Werkstätten bzw. Handwerksbetriebe können schon frühmorgens über Zahnriemen, Pumpen & Co. verfügen und wichtige Aufträge gleich zu Arbeitsbeginn erledigen. Die Fahrer von Night Star Express liefern die Waren an exakt definierte Orte – von der Lagerhalle bis zum Kofferraum eines Fahrzeugs. Die Kunden überlassen dem Unternehmen dazu die entsprechenden (Zweit-)Schlüssel. Je nach Standort führen die Fahrer entweder die Schlüssel aller Kunden im Zustellgebiet mit sich oder nur jene zwischen 20 und 25, die für eine Tour notwendig sind.
Anders als die Sendungen konnten die Schlüssel jedoch bislang nicht getrackt werden. Der Digitalisierung des Schlüsselmanagements nahmen sich Maximilian Schellert und sein Team daher im Rahmen eines weiteren Transferprojekts des Innovationslabors an, dessen Ergebnisse zum Beispiel auch für die Frischelogistik der Zukunft von Bedeutung sein können. Die Forscher entwickelten ein ebenso sicheres wie transparentes System zur Schlüsselverwaltung, bestehend aus smarter Hardware und Softwarearchitektur, mit einem Link zur Tourenplanung. Dazu wurden die Schlüssel mit RFID-Patches ausgestattet, so dass ihr Weg verfolgbar ist. In einer speziell entwickelten App kann man sehen, welcher Fahrer welchen Schlüssel mit sich führt. Ziel ist es, dass alle Standorte auf eine einheitliche Software zurückgreifen, so dass auch immer nur die Schlüssel unterwegs sind, die für eine Tour benötigt werden.
»Unser Konzept ist attraktiv für alle Paketdienstleister, die eine empfängerlose Zustellung anbieten – gerade auch im Bereich der Lebensmittellieferung an Privatkunden, die stark im Kommen ist«, so Maximilian Schellert, Leiter des Transferprojekts. »Spannend ist auch der Link zur Tourenplanung: Damit erhält das Unternehmen ein komplett integriertes Konzept.«
Dortmund, Oktober 2018
Über die Autorin
Silke Bruns ist freie Redakteurin und berichtet regelmäßig über neue technische Entwicklungen im Innovationslabor Hybride Dienstleistungen in der Logistik.