Von Silke Bruns | Freie Redakteurin – In der Social Networked Industry arbeiten Mensch und Technik im Team. In drei Transferprojekten des Innovationslabors haben Unternehmen jetzt einmal mehr ausloten können, wie dies ganz praktisch aussieht. Dabei zeigt sich: Die Akzeptanz der Beschäftigten für digitale Assistenten ist hoch – und der Effizienzgewinn für das Unternehmen auch. Drei Beispiele.
Virtuelle Realität schult Mitarbeiter besser
Gewerbliche Mitarbeiter im Lager werden heute in der Regel mit klassischen »Frontal-Schulungen« auf neue Kommissionierungsmethoden vorbereitet: Ein Referent erklärt den groben Ablauf eines Systems, übt mit den Mitarbeitern am Beispiel die zugehörigen Befehle. So auch bei Einführungen des Pick-by-Voice-Systems des Dortmunder Intralogistik-Systemhauses proLogistik. »Das Unternehmen hatte jedoch großes Interesse daran, die Schulung – passend zum digitalen Produkt – auch digitaler zu gestalten«, erklärt Christoph Schlüter vom Fraunhofer IML, wie es zur Zusammenarbeit mit proLogistik in einem der inzwischen zwölf Transferprojekte des Innovationslabors (neun abgeschlossene, drei laufende) kam. Vor diesem Hintergrund entwickelten Forscher und Unternehmensvertreter eine Schulung mit einem spielerischen und zugleich wissensvermittelnden Charakter. Dabei zeigte sich: Durch den Einsatz von virtueller Realität und Gamification-Elementen sind die Mitarbeiter motivierter und lernbereiter und die Ergebnisse letztlich besser.
Das von proLogistik entwickelte Pick-by-Voice-System ist ein in der Kommissionierung eingesetztes Assistenzsystem, bei dem der Anwender während aller Prozesse beide Hände frei hat. Dies ist möglich, weil sich das System durch Sprachanweisungen und entsprechendes Audio-Feedback bedienen lässt. Das bedeutet aber auch, dass der Mitarbeiter keinerlei visuelle Informationen und Hilfestellungen zur Verfügung hat. Dieser Umstand macht gute Schulungen und Betreuung vor und während der Inbetriebnahme unumgänglich, da die Anwender ansonsten unzureichend vorbereitet sind. Im Rahmen des Transferprojektes wurde für die entwickelte digitale Schulung eine digitale Szenerie mitsamt in das Spiel integriertem Roboter aufgesetzt, in der die Mitarbeiter durch alle Stufen der Kommissionierung mit dem System geleitet werden.
Die Probanden, die über unterschiedliche Vorerfahrungen im Umgang mit virtueller Realität und Games verfügten, waren gegenüber der digitalen Schulung grundsätzlich positiv eingestellt. Den Einsatz neuer Technologien hielten sie für notwendig, damit Unternehmen in Zukunft am Markt bestehen können. Die Schulung selbst empfanden sie als angenehm, informativ, lehr- und abwechslungsreich und absolvierten sie hochkonzentriert. »Durch die fordernden, schwungvollen Ansagen des Demonstrators fühlten sich die Mitarbeiter sowohl angetrieben als auch unterstützt», beobachtete auch Robert Rothbauer, Projektleiter seitens proLogistik. »Der Einsatz spielerischer Elemente kam dabei besonders gut an.« Zudem bewerteten die Mitarbeiter die freie Beweglichkeit innerhalb der virtuellen Spielumgebung sowie die lockere Atmosphäre des Spiels als vorteilhaft. Ein physisches oder psychisches Unbehagen, das bei VR-Neueinsteigern auftreten kann, zeigte sich nicht. Im Ergebnis zogen die Mitarbeiter die digitale Schulung einer Frontal-Schulung eindeutig vor.
Pflegepersonal kommuniziert mit Krankenhausbett
20 Millionen Menschen liegen jedes Jahr in einem der 500.000 Krankenhausbetten in Deutschland. Mindestens 20 Millionen Mal müssen die Betten demnach gereinigt und aufbereitet werden. Pflegepersonal, Medizintechniker und Reinigungskräfte müssen die Prozesse heute noch aufwendig per Telefon oder Mail absprechen – ganz abgesehen davon, dass die Wartung oder Defekte von Betten weiteren Abstimmungsaufwand verursachen. Gemeinsam mit dem Hersteller von Krankenhausbetten Stiegelmeyer aus dem ostwestfälischen Herford haben Wissenschaftler des Innovationslabors im Rahmen eines Transferprojektes nun ein smartes Label für Krankenhausbetten entwickelt, mit dem die Prozesse in Kliniken erheblich verschlankt werden können. »Statt im Stationszimmer mühsam und händisch einen Arbeitsauftrag zu schreiben, können die Mitarbeiter alle notwendigen Aktionen direkt am Bett auslösen und prüfen«, sagt Marcus Hintze vom Fraunhofer IML, der das Projekt für das Innovationslabor betreut hat. »Dabei entsteht eine neue Mensch-Technik-Interaktion zwischen den Prozessbeteiligten und dem Krankenbett im Sinne des Industrie 4.0-Leitgedankens.«
Das Smart Label ist ein knapp Smartphone-großes Gerät, das am unteren Ende eines Bettgestells befestigt wird. Es visualisiert Informationen wie die Betten-ID, die Patienten-ID oder den Bettenstatus und unterstützt Prüfungs-, Wartungs- sowie Reinigungsprozesse digital. Die Pflegekräfte auf den Stationen können einen Arbeitsauftrag zur Aufbereitung eines Krankenbettes direkt am Bett mit wenigen Knopfdrucken tätigen. Über eine App erhalten Transportdienst und Reinigungskräfte die Aufträge. Ein weiterer positiver (Neben-)Effekt für die Krankenhausbetreiber: Der Abruf des Standorts eines Bettes ist jederzeit möglich, realisiert durch die Beacon-Technologie. Marcus Hintze: »Tatsächlich gehört die Lokalisierung von Betten und medizinischen Geräten derzeit zu den wichtigsten Handlungsfeldern in Kliniken. Mitarbeiter sind heute vielfach über Gebühr damit beschäftigt, zu wartende und zu prüfende Betten in den Häusern erst einmal zu finden. Dank der Indoor-Ortung entfallen nun lange Suchzeiten und der Bettenbestand wird für die Verantwortlichen im Krankenhaus transparent. Den Mitarbeitern selbst bleibt mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben.«
App unterstützt Fahrer bei Ortung von Gastanks
Die Vor-Ort-Auslieferung von Flüssiggas stellt die Fahrer von Tankwagen und damit auch deren Arbeitgeber heute noch vor große Herausforderungen. Zwar sind die Adressen der Kunden, die sich sehr häufig im ländlichen Raum befinden, aufgrund moderner Navigationssysteme gut zu finden. Doch die zu befüllenden Tanks liegen gerade auf Privatgrundstücken oftmals versteckt oder sind unterirdisch verbaut. Da viele Kunden nur in großen Abständen beliefert werden und Unternehmen häufig verschiedene Fahrer einsetzen, investieren diese dann auf einem ihnen unbekannten Terrain pro Auftrag bis zu zehn Minuten allein in die Suche der Tanks vor Ort. Sind die Eigentümer zuhause, können sie den Fahrer einweisen. Doch Ziel von Anbietern von Flüssiggas wie der Hagener WESTFA ist es eigentlich, dass die Belieferung unabhängig von der Anwesenheit der Kunden erfolgen kann. Im Rahmen des Transferprojektes des Innovationslabors entwickelten Wissenschaftler des Fraunhofer IML daher gemeinsam mit dem Unternehmen eine Hilfestellung zur Ortung von Gastanks. Gleichzeitig zeigt diese auch die optimale Position des Tankwagens für die Befüllung der Tanks an. »Das Unternehmen setzt bei anderen Aufgaben schon seit längerem auf die Unterstützung seiner Mitarbeiter durch digitale Tools«, so Martin Friedrich vom Fraunhofer IML, verantwortlich für das Transferprojekt. »Deshalb war für uns die Frage, ob die Mitarbeiter weitere smarte Devices zu ihrer Unterstützung akzeptieren würden, besonders wichtig.«
Dabei hat sich die frühzeitige Einbindung der Beschäftigten ausgezahlt. Die Software wurde durch ausgewählte Fahrer der WESTFA in einer mehrwöchigen Testphase im realen Betrieb eingesetzt. Dabei wurden sowohl die technische Anwendung als auch die Benutzerfreundlichkeit überprüft. Fehler und komplizierte Bedienkonzepte konnten so schnell entdeckt und korrigiert werden. »Grundsätzlich hat sich dabei auch gezeigt, dass Neuerungen vom größten Teil der Mitarbeiter positiv gesehen und ohne Wiederstände ausprobiert wurden«, freut sich Oliver Höring, Geschäftsführer von WESTFA. »Die qualitativen und quantitativen Ergebnisse zur Akzeptanz von Smart Devices im Transportalltag können wir nun auch im Rahmen der weiteren Forschung nutzen.«
Dortmund, September 2019
Über die Autorin
Silke Bruns ist freie Redakteurin und berichtet regelmäßig über neue technische Entwicklungen im Innovationslabor Hybride Dienstleistungen in der Logistik.