Von Steven Dhondt et. al. | TNO – Die niederländische Logistikbranche gilt als extrem produktiv und innovativ, doch sie steht vor großen Herausforderungen. Seit einigen Jahren wird daher massiv in Technologieprogramme investiert. Als Ansatz zur erfolgreichen Einführung neuer Technologien empfiehlt sich dabei die sogenannte »Workplace Innovation«.
 
Die niederländische Regierung und die Logistikbranche investieren seit 2011 im Rahmen der niederländischen »Topsektor«-Initiative massiv in neue Technologieprogramme, um die Leistung der Logistikunternehmen langfristig zu verbessern. Ob Beschäftigte die neuen Technologien tatsächlich nutzen, sich aktiv auf Neues einstellen und zur Erfindung und Verbesserung von Innovationen beitragen, hängt allerdings sehr stark davon ab, wie diese Neuerungen empfunden werden und wie sie gestaltet sind. Dabei rückt derzeit die Entwicklung einer ganzheitlicheren, systemischen Betrachtung in der Branche immer stärker in den Blickpunkt. Gesucht werden gezielte »Change-Praktiken«, mit denen Unternehmen bessere Humankapital-Konzepte einführen können – wie beispielsweise »Workplace Innovation«, kurz WPI. 
 
WPI legt einen Schwerpunkt auf die Konzeption und Einführung von Handlungsweisen bzw. einer Kombination von Aktivitäten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entweder strukturell (durch Arbeitsteilung) oder kulturell (durch Empowerment) dazu befähigen, sich in organisationale Veränderungen und Erneuerungen einzubringen und im Ergebnis die Qualität des Arbeitslebens und die Organisationsleistung verbessern. WPI-Forscher gehen von der Grundidee aus, dass „Mitarbeiter unser wertvollstes Kapital sind“. Arbeitsprozesse und HR-Praktiken sollten so organisiert sein, dass Mitarbeiter von einer höheren Qualität des Arbeitslebens profitieren und Organisationen eine höhere Leistung erzielen. In diesem Sinne kann WPI als „Best-Practice-Ansatz“ verstanden werden.
 
Wird Beschäftigten mehr Autonomie eingeräumt, dürfen sie ihre Meinung vortragen und werden sie mit operativen Aufgaben in Entscheidungen über Innovationen eingebunden, so hat das einen unmittelbar positiven Einfluss auf die Annahme von Innovationen durch das Personal.
 
Fünf Pfade für eine erfolgreiche Einführung
Grundsätzlich gibt es nicht nur einen Weg, als Unternehmen WPI einzuführen bzw. zu praktizieren – doch Forscher haben jetzt fünf idealtypische Pfade identifiziert:
  • Topmanagementgesteuerte WPI. Die WPI-Initiative geht vom Topmanagement aus. Die Maßnahmen werden jedoch unter Beteiligung der Beschäftigten umgesetzt und von diesen unterstützt. In diesen Fällen zeigen die Mitarbeiter dann auch das angestrebte Innovationsverhalten.
  • Autonomiebasierte WPI. Dieser Pfad wird von Unternehmen eingeschlagen, die zur Sicherung ihrer Zukunft ihre Organisationsautonomie nutzen, um WPI-Maßnahmen zu entwickeln. Gleichzeitig verfügen die Beschäftigten über ein hohes Maß an Autonomie und haben die Möglichkeit zur Partizipation. In erster Linie geht es darum, die Zukunftsfähigkeit und die Existenz des Unternehmens zu sichern – und nicht etwa um ein Organisationsmodell, das höchste Leistungsqualität oder höchste Qualität des Arbeitslebens anstrebt.
  • Integrale WPI. WPI-Maßnahmen werden in dieser Konfiguration von unten nach oben („Bottom-up“) mit Hilfe der Mitarbeiter eingeleitet und statten diese mit Möglichkeiten und Fähigkeiten für innovatives Verhalten aus. Die Organisation besitzt Spielräume für eigene Entscheidungen und favorisiert eine begrenzte Arbeitsteilung. Strukturelle und verhaltensbezogene Elemente werden integriert.
  • Beschäftigtengetriebene WPI. Bei dieser Lösung wird die WPI im Wesentlichen von unten nach oben initiiert und partizipativ umgesetzt. Die Organisation besitzt Spielraum für eigene Entscheidungen und lässt Mitarbeitern gleichzeitig Raum zur Teilnahme an der Entwicklung des Organisationsmodells.
  • Innovationsverhaltensgetriebene WPI. Unternehmen, die diesen Weg zu WPI wählen, präferieren eine begrenzte Arbeitsteilung und ermöglichen den Mitarbeitern, sich innovativ zu betätigen, bzw. sie geben Freiraum für innovatives Verhalten (z. B. proaktive Entwicklung neuer Ideen, Risikobereitschaft bei der Entwicklung neuer Lösungen). An der Entwicklung des Organisationsmodells nehmen die Beschäftigten jedoch nicht teil. 
Die Forschung macht deutlich, dass bestimmte Kombinationen WPI begünstigen, während andere weniger erfolgversprechend sind. Unternehmen haben danach Raum für eigene strategische Entscheidungen. Allen Pfaden scheint jedoch gemeinsam zu sein, dass die Beschäftigten eine bedeutende Rolle bei der Einführung von WPI-Praktiken spielen sollten. 
 
Ein Schlüsselfaktor: die Autonomie der Beschäftigten
Wird Beschäftigten mehr Autonomie eingeräumt, dürfen sie ihre Meinung vortragen und werden sie mit operativen Aufgaben in Entscheidungen über Innovationen eingebunden, so hat das einen unmittelbar positiven Einfluss auf die Akzeptanz von Innovationen. Werden Beschäftigte ermutigt, zur Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen beizutragen, erhöht dies auch die Wahrscheinlichkeit, dass Innovationen als ergebnisverbessernd für die eigene Arbeit oder Leistung, als nützlich, benutzerfreundlich und bedeutsam wahrgenommen werden. Innovationen, die als nützlich und/oder benutzerfreundlich wahrgenommen werden, kommen in der Praxis mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Anwendung. 
 
März 2019 – Dieser Text versteht sich als Management Summary des Beitrags in: Konzeptionelle Perspektiven von Arbeit in der digitalisierten Logistik. Herausgeber: Ralf Kopp, Peter Ittermann, Veröffentlichung des Forschungsprojektes Innovationslabor »Hybride Dienstleistungen in der Logistik«, Erstveröffentlichung im Soziologischen Arbeitspapier Nr. 55/2018 (ISSN 1612-5355).
 
>> Hier geht es direkt zur Veröffentlichung (PDF, 2 MB).
Unsere Autoren

Steven Dhondt ist Mitarbeiter der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung, kurz TNO. Weitere Autoren sind Paul Preenen, Peter Oeij, Katarina Putnik, Wouter van der Torre und Ernest de Vroome.